Im Rahmen des bis zum Jahr 2000 geltenden Anrechnungsverfahrens konnte nur die Körperschaftsteuer bei der persönlichen Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden, die auf Dividenden einer inländischen Kapitalgesellschaft entfiel. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg – EuGH - hielt diese Beschränkung für rechtswidrig und schuf damit die Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer (Urteil in der Rechtssache Meilicke vom 6. März 2007 C-292/04). Offen blieb allerdings in der Entscheidung des EuGH, wie das für das deutsche Körperschaftsteuer-System konzipierte Anrechnugsverfahren bei ausländischen Dividenden durchzuführen ist, insbesondere welche formelle Anforderungen an den Nachweis ausländischer Körperschaftsteuer zu stellen sind. Der deut-sche Gesetzgeber hat diese Fragen bisher ebenfalls nicht beantwortet.

Der 2. Senat des Finanzgerichts Köln hat deshalb mit Beschluss vom 14. Mai 2009 (2 K 2241/02) den Rechtsstreit erneut dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Senat sah sich insbesondere vor das Problem gestellt, dass die Vorbelastung der ausländischen Dividenden mit Körperschaftsteuer regelmäßig faktisch nicht fest-stellbar sei. Die Vorlagefragen betreffen dementsprechend die Höhe des Anrechnungsguthabens und das Erfordernis einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F.. Zwei Fragen des Vorlagebeschlusses setzen sich außerdem mit der Änderungsvorschrift des § 175 AO auseinander, weil die Gewährung der Körperschaftsteueranrechnung zunächst die Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide voraussetzt.

Im Einzelnen fragt der 2. Senat an, ob es der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56, 58 EG-Vertrag entgegensteht, wenn die Körperschaftsteuer in Höhe von 3/7 der Brutto-dividenden auf die Einkommensteuer angerechnet wird, obwohl die auf der ausländischen Dividende lastende tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer höher sein könnte. Außerdem wird in Frage gestellt, ob das Erfordernis einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 ff. KStG a.F. mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist, obwohl eine entsprechende Bescheinigung im Hinblick auf ausländische Dividenden faktisch unmöglich beizubringen ist. Diese Bescheinigung muss nämlich u.a. den Betrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer sowie die Zusammensetzung der Leistung nach den unterschiedlichen Teilen des verwendbaren Eigenkapitals enthalten. Für den Fall, dass die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung tatsächlich unmöglich ist, zieht der 2. Senat zur Gewährleistung der Kapitalverkehrsfreiheit eine Verpflichtung zur Schätzung der Körperschaftsteuerbelastung in Betracht, wobei ggf. auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen wären. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass hier möglicherweise der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers tangiert sein könnte, weil es an einer geeigneten Rechtsgrundlage für die Gewährung der Körperschaftsteueranrechnung auf ausländische Dividenden fehle.

In Bezug auf § 175 AO fragt der Senat an, ob es, für den Fall, dass eine Körperschaftsteuerbescheinigung erforderlich ist, mit Europarecht vereinbar ist, dass der Gesetzgeber im Jahre 2004 durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz die Norm ohne Übergangsregelung dahingehend geändert hat, dass eine Durchbrechung der Bestandskraft bei Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nicht mehr möglich ist. Sollte eine Körperschaftsteuerberscheinigung hingegen nicht erforderlich sein, hat der Senat insoweit europarechtlich begründete Zweifel, als bei ausländischen Dividenden – im Gegensatz zu inländischen – eine ermessensunabhängige Rechtsgrundlage zur Durchbrechung der Bestandskraft nicht gegeben wäre.