Hier finden Sie erste Informationen über Online-Verhandlungen im Finanzgericht Köln in Frage und Antwort-Form.
Wie beantrage ich eine Videoverhandlung bei Gericht?
Welche anderen Orte eignen sich zur Teilnahme an einer Videoverhandlung?
Besteht ein Anspruch darauf, im Wege der Videoverhandlung teilzunehmen?
Findet die Verhandlung nur virtuell statt oder wo befindet sich das Gericht?
Brauchen Beteiligte eine besondere technische Ausstattung?
Muss ich mich vorab irgendwo anmelden, Programme downloaden und entstehen mir hierfür Kosten?
Wie erhalte ich die Zugangsdaten?
Kann ich zur Teilnahme an einer Videoverhandlung verpflichtet/gezwungen werden?
Entstehen mir Rechtsverluste bei Abbruch der Verbindung?
Wie erfahre ich, falls sich die Videoverhandlung verzögert?
Wie kann ich dem Gericht neue Beweismittel am Verhandlungstag zukommen lassen?
Welche datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen gelten?
Was sind die Vor- und Nachteile einer Videoverhandlung?
Wie beantrage ich eine Videoverhandlung bei Gericht?
Der Antrag kann im konkreten Fall beim zuständigen Gericht gestellt werden. Das Gericht kann zulassen, dass sich ein konkreter Beteiligter während der Verhandlung „an einem anderen Ort“ aufhält und von dort Verfahrenshandlungen vornehmen kann.
Welche anderen Orte eignen sich zur Teilnahme an einer Videoverhandlung?
Besondere Anforderungen an den „anderen Ort“ ergeben sich aus § 155 FGO in Verbindung mit § 128a ZPO nicht: Der „andere Ort“ kann deshalb jeder Ort sein, der eine störungsfreie Durchführung der Verhandlung und eine Übertragung von Bild und Ton sicherstellt. In Betracht kommen neben Kanzlei- oder Büroräumen auch private Arbeitszimmer u.ä..
Besteht ein Anspruch auf Teilnahme an einer Videoverhandlung?
Ein subjektiver Anspruch darauf, an einer Videoverhandlung teilzunehmen, kommt nur in Betracht, wenn das Gericht einem entsprechenden Antrag aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null stattgeben muss.
Es ist allerdings fraglich, ob und gegebenenfalls wann das dem Gericht gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 128a ZPO eingeräumte Ermessen so weit eingeschränkt sein kann, dass Beteiligten ein Anspruch auf Teilnahme an einer Videoverhandlung zusteht. Grundsätzlich muss sich das Verfahren für die Durchführung einer Videoverhandlung eignen. Als Faustregel wird man festhalten können, dass eine Videoverhandlung umso sinnvoller ist, je mehr Rechtsfragen im Vordergrund stehen und weite Anreisen vermieden werden. Weniger sinnvoll ist eine Videoverhandlung, wenn eher persönliche Konflikte im Mittelpunkt stehen oder es auf den persönlichen Eindruck von Beteiligten, Zeugen etc. ankommt. Gründe des Gesundheitsschutzes allein dürften nur selten eine Ermessensreduzierung auf Null herbeiführen. Die Ablehnung eines Antrags auf Videoverhandlung muss kurz begründet werden. Die Entscheidung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht anfechtbar.
Findet die Verhandlung nur virtuell statt oder wo befindet sich das Gericht?
Die Prozessordnungen sehen vor, dass Termine im Hinblick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz gemäß § 169 GVG regelmäßig im Gericht stattfinden. Eine rein virtuelle mündliche Gerichtsverhandlung, bei der sich alle Beteiligten einschließlich des Gerichts aus ihrem Büro oder Homeoffice zuschalten, ist mit dieser Vorgabe nicht vereinbar. Die öffentliche Verhandlung kann nicht durch eine frei zugängliche („öffentliche“) Übertragung des Verhandlungsgeschehens ersetzt werden (§ 169 Abs. 1 Satz 2 GVG). Das Gebot der Öffentlichkeit gilt nur für den Sitzungsraum, nicht aber für Räume, aus denen Beteiligte ihr Videosignal übertragen.
Nach § 128a Abs. 5 ZPO müssen Vorsitzende die Verhandlung zwingend vom Gericht aus leiten. Ausnahmsweise brauchen der/die RichterInnen auch in folgenden Fällen nicht im Gericht persönlich anwesend zu sein: Beratung bei Terminen ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 FGO), Güteverhandlung und Erörterungstermine, da diese „nicht öffentlich“ stattfinden.
Brauchen Beteiligte eine besondere technische Ausstattung?
Eine Teilnahme ist mit jedem internetfähigen PC mit Kamera, Mikrofon und Lautsprechern sowie einer stabilen Internetverbindung möglich. Erfahrungsgemäß empfiehlt sich die Verwendung eines Headsets.
Muss ich mich vorab irgendwo anmelden, Programme downloaden und entstehen mir hierfür Kosten?
Es findet eine Browser- bzw. App-basierte Einwahl ohne Anmeldung aller Teilnehmer statt. Die Nutzung der Tools ist kostenlos. Mit Ausnahme der Verbindungskosten entstehen keine zusätzlichen Kosten für die Einwahl und Nutzung der externen Videokonferenzdienste. Es handelt sich um eine reine Online-Lösung, sodass eine spezielle Software oder ein Download nicht erforderlich sind.
Wie erhalte ich die Zugangsdaten?
Die Zugangsdaten werden an die vom Beteiligten auf den im Verfahren üblichen Kommunikationswegen (sicherer elektronischer Übermittlungsweg / FAX / Brief) versendet. Nur in Ausnahmefällen kommt ein Versand per E-Mail in Betracht.
Kann ich zur Online-Teilnahme verpflichtet/gezwungen werden?
Das Gericht kann eine Videoverhandlung nicht nur gestatten, sondern nach § 128a Abs. 2 ZPO auch anordnen. Die Beteiligten haben jedoch ein Einspruchsrecht. Die Frist für den Einspruch beträgt zwei Wochen. Legt ein Beteiligter fristgerecht Einspruch ein, muss die/der Vorsitzende die Anordnung der Videoverhandlung für alle Beteiligten aufheben (§ 128a Abs. 4 ZPO). Allerdings können Beteiligte, die nicht widersprochen haben, weiterhin freiwillig durch Zuschaltung per Videoübertragung teilnehmen. Möglich sind zudem auch sog. Hybrid-Verhandlungen, bei denen einige Beteiligte vor Ort erscheinen und andere Beteiligte – ggf. teilweise (z.B. nur Prozessbevollmächtigter oder Beteiligter) – zugeschaltet werden.
Entstehen mir Rechtsverluste bei Abbruch der Verbindung?
Vor erstmaliger Teilnahme an einer Videoverhandlung empfiehlt es sich die Gewährleistung der eigenen technischen Voraussetzungen und die Einstellungen für Video und Audio im Rahmen einer Testschaltung über die folgenen Links zu überprüfen:
- Saal 201, 206, 250, 260
https://www.video.openws.de/test
Ist die Verbindung am Verhandlungstermin einmal zustande gekommen, kann das Gericht nicht ohne weiteres von einem unentschuldigten Nicht-Erscheinen ausgehen. Eine Durchführung der Verhandlung ist jedoch bei (gänzlichem) Nicht-Erscheinen eines Beteiligten möglich, wenn dieser weder im Gerichtssaal erscheint (das bleibt jederzeit zulässig) noch eine Bild- und Tonübertragung zustande kommt, ohne dass die betroffenen Beteiligten dem Gericht Verspätungs- oder/Verhinderungsgründe innerhalb angemessener Zeit (i.d.R. mindestens 15 Minuten) mitteilen. Empfehlenswert ist – wie auch bei sonstigen Verspätungs-/Verhinderungsgründen – telefonischen Kontakt mit der Geschäftsstelle aufzunehmen.
Wie erfahre ich, falls sich die Videoverhandlung verzögert?
Virtuelle Wartezeiten lassen leichter an einen technischen Fehlversuch glauben, als bei einem Warten vor dem Saal. Aus Datenschutzgründen erhalten Sie keine Mitteilung, dass sich der Termin verzögert. Das Gericht wird Sie im Falle von Verzögerungen von mehr als 10 Minuten telefonisch kontaktiren. Empfehlenswert ist es auch in solchen Fällen, bei Zweifeln selbst bei der zuständigen Geschäftsstelle des Gerichts nachzufragen.
Wie kann ich dem Gericht neue Beweismittel am Verhandlungstag zukommen lassen?
Die Präsentation von eingescannten Beweismitteln im Termin ist z. B. über die Funktion „Bildschirm teilen“ grundsätzlich möglich. Parallel dürfte aber auch die Übermittlung über einen sicheren Übertragungsweg (Berufsträger: beA, beSt; Finanzämter: beBPo, EGVP, übrige Beteiligte: Fax etc.) ggf. erforderlich bleiben. Generell ist es empfehlenswert, entscheidungserhebliche Unterlagen so früh wie möglich, dem Gericht vorab zuzuleiten.
Können sich Beteiligte mit ihren Bevollmächtigten oder Beiständen während der Videoverhandlung zwischenberaten?
Schalten Sie das Mikrofon bei Zwischenbesprechungen mit ihren Bevollmächtigten/Beiständen aus. Sollten sich Prozessbevollmächtigte und Mandant an verschiedenen „anderen“ Orten befinden, empfiehlt sich ein weiterer zusätzlicher Kommunikationsweg (z.B. per Telefon oder parallele private Videokonferenz etc.).
Welche datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen gelten?
Eine Aufzeichnung der Videokommunikation durch das Gericht findet nicht statt. Das Erstellen von Aufnahmen durch einen Beteiligten ist verboten. Im Rahmen der Fernkommunikation kann das Gericht nicht sicherstellen, dass Beteiligte sich allein im Raum aufhalten und Aussagen unbeeinflusst erfolgen. Achten Sie bitte darauf, was im Hintergrund zu sehen ist. Andere Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nicht sichtbar sein. Ggf. nutzen Sie eine sog. Blurring-Funktion, die den Hintergrund unscharf macht. Geschäftlich oder persönlich vertraulicher bzw. sensibler Verfahrensinhalt kann gegen die Geeignetheit des Verfahrens für eine Videoverhandlung sprechen. Eine Zusendung der Zugangsdaten an ein allgemeines Postfach (z.B. info@FirmaXY.de) findet nicht statt.
Das open-source Programm Jitsi bietet ein sehr hohes Datenschutzniveau (EU-US Privacy Shield zertifiziert, bei Betrieb in der EU Geltung der EU-DSGVO, je nach Betreiber keine Verwendung von Google-Analytics) eine Ende- zu Ende-Verschlüsselung und eine einfache, intuitive Nutzung via App oder Browser ohne Anmeldung aller Teilnehmer. Es gibt eine Vielzahl in Deutschland betriebener Jitsi-Server, die öffentlich und kostenlos zugänglich sind. Allerdings sollten ausnahmslos alle Teilnehmenden entweder die über den jeweiligen App-Store kostenlos verfügbare Jitsi-App (für Smartphone) oder den Browser Google Chrome benutzen – nutzt auch nur ein einziger Teilnehmer z. B. Firefox, kann das die Qualität der Gesamtkonferenz erheblich beeinträchtigen.
Der IT-Dienstleister der Justiz (ITD.NRW) stellt für Videoverhandlungen eine eigene Plattform zur Verfügung. Unter join.video.nrw.de können sich die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Beteiligten, Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständigen mit vorab generierten Login-Daten einwählen. Die eigentliche Sitzung findet über die cloud-basierte Konferenzplattform von Cisco VMR (Virtual Meeting Room) statt, die sehr intuitiv und minimalistisch gestaltet ist. Dabei verläuft die gesamte Kommunikation ausschließlich über landeseigene Server der Justiz.
Im Falle einer Datenschutzverletzung bestehen Melde- und Benachrichtigungspflichten nach §§ 33, 34 EU-DSGVO mit teilweise kurzen Fristen (72 Stunden). Richterinnen und Richter haben Auffälligkeiten oder erwiesene Verletzungen daher unverzüglich dem Dienstherrn zu melden.
Was sind die Vor- und Nachteile einer Videoverhandlung?
Videoverhandlungen vermeiden zeitaufwändige Anfahrtswege, Parkplatzsuche und Wartezeiten.
Auch wenn bestmöglicher Datenschutz angestrebt und Schutzvorkehrungen getroffen werden, verbleiben geringe datenschutz- und datensicherheitsbezogene Restrisiken.